„Da entstand die Idee, eine Gruppe außerhalb des kirchlichen Rahmens zu gründen.“
In der Nacht vom 4. auf den 5.2.1988 haben Jürgen Tallig und drei weitere Freunde mit roter Farbe Forderungen nach mehr Demokratie in den Fußgängertunnel am Leipziger Leuschnerplatz geschrieben. Sie protestierten damit gegen die Inhaftierung der Gegendemonstranten auf der Luxemburg / Liebknecht-DemonstrationJährlich veranstaltete politische Großdemonstration der SED zum Gedenken an die im Januar 1919 ermordeten Arbeiterführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.
Am 17. Januar 1988 zeigten in Berlin Bürgerrechtler während des organisierten Aufmarsches ein Plakat mit dem Zitat von Rosa Luxemburg: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“. Daraufhin kam es zu zahlreichen Verhaftungen. Nicht wenige Oppositionelle wurden daraufhin aus der DDR ausgebürgert. in Berlin. Doch schon 5.30 Uhr wurde der Tunnel von der Polizei gesperrt und die Staatssicherheit nahm ihre Ermittlungen auf. Zwei Tage später tauchte in der Stadt eine „Stellungnahme“ auf, die Inhalt und Anliegen der Protestlosungen im Fußgängertunnel beschrieb. Jürgen Tallig wird am 15.2.1988 beim Verteilen der Blätter festgenommen. Etwa 3 Monate später wird er zu einer Geldstrafe verurteilt.
Infolge der Solidarität der kirchlichen Basisgruppen mit Jürgen Tallig kam es im Sommer 1988 zu Verwerfungen mit der ev. Kirche.
Lebenslauf
- geb. 1956 in Halle
- 1972 Abschluss der Polytechnischen Oberschule (POS), 4. – 7. Klasse Kinder- und Jugendsportschule (KJS) Turmspringen,
- bis 1974 Stahlbauschlosserlehre in Halle
- bis 1978 3 Jahre Armeedienst
- 1978 bis 1981 Maschinenbaustudium an der Ingenieurschule Rosswein
- Wärmeanlagenbau in Leipzig, 1982 Kündigung
- anschließend arbeitslos und Buchhändler in einer Volksbuchhandlung
- Mitbegründer der Gruppe „Neues Denken“Gruppe Neues Denken
Diese Gruppe begann sich 1988 im „Klub der Intelligenz“ beim Kulturbund mit einer Vortragsreihe („Dialog“) für Reformen in der DDR einzusetzen. Ihr Programm war dabei, mit Dialog anstelle der „gewaltsamen Durchsetzung eigener Interessen“ eine Demokratisierung zu erreichen. In der Gruppe (vor allem Studenten, u.a. Genossen der SED) arbeiteten keine Christen mit, dennoch nahmen einige ihrer Mitglieder an den Friedensgebeten teil, und J. Tallig gestaltete das Friedensgebet am 27.06.1988 mit. Die Gruppe organisierte parallel zu den kirchlichen Gruppen am 07.05.1989 eine Beobachtung der Kommunalwahl und machte ihre Ergebnisse zu den Wahlfälschungen danach öffentlich. Die von Mitgliedern der Gruppe begonnene Einrichtung einer Bibliothek und eines Lesecafes wurde ab Oktober 1989 als Büro der Neuen Forums genutzt.
beim Kulturbund 1988 - Mitbegründer des Neuen ForumNeues Forum
Am 10. September 1989 als Bürgerbewegung gegründet. Das Neue Forum verstand sich als politische Plattform für „demokratischen Dialog“ und rief alle DDR-Bürger auf an der Umgestaltung der Gesellschaft mitzuarbeiten. Die Mobilisierungswirkung war enorm. So wurden u.a. die Montagsdemonstrationen durch das Neue Forum getragen. Von Dezember 1989 bis März 1990 arbeiteten deren Vertreter an den Runden Tischen mit und beteiligten sich aktiv bei der Durchsetzung politischer Forderungen. Ein Teil des Neuen Forums ging 1990 im Bündnis 90 und schließlich in der Partei Bündnis 90/Grüne auf. Ein anderer Teil blieb als Kleinpartei eigenständig erhalten.
in Leipzig - ab 1990 Studium der Politik- und Sozialwissenschaft
- Sozialarbeiter in Berlin-Weißensee